Drogen & Gewalt statt Sehenswürdigkeiten

 

 

Freistadt Christiania – hätte ich mich nur belesen.

Bisher habe ich nur geschwärmt und euch von meiner innigen Liebe zu Kopenhagen erzählt, damit ist jetzt Schluss. Ich habe einen Ort in der wunderschönen Hauptstadt gefunden, der für mich suspekt, angsteinflößend und verwirrend zugleich war: Freistadt Christiania.

Christiania ist eine alternative Wohnsiedlung in Kopenhagen, gilt als rechtsfreier Raum und wird als hipper Geheimtipp gehandelt. Alles was ich zuvor über diesen Teil Kopenhagens gehört hatte klang spannend und wirklich interessant, so schreibt zum Beispiel die Seite Urlaubsguru. “Die Hippiestadt Christiania ist wirklich mehr als nur ein Mythos einer freien Kommune! Mitten in Kopenhagen existiert eine autonome und von staatlicher Seite durchaus geduldete Gemeinde, die es so in keinem anderen europäischen Land gibt. Ein kleines Stück persönliche Freiheit, das ist es, was die meisten Bewohner von Christiania reizt. Eingeschworene Gemeinschaften haben sich gebildet, in denen die Kinder miteinander spielen können und die Erwachsenen die Bürden des Alltags miteinander teilen.” So die Theorie und auch meine Vorstellung, als ich mich mit Mr. Z auf den Weg machte. Beschäftigt man sich näher mit diesem Thema kann man lesen, dass die meisten Einwohner Kopenhagens mittlerweile einen großen Bogen um diese Wohnsiedlung machen, ebenso wie die machtlose Polizei. Der Grundgedanke von Christiania war: Keine harten Drogen und keine Waffen, davon ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Ich dachte vor meinem Besuch ehrlich gesagt, dass das eine Art Touristenbespaßung ist, habe fröhlich Fotos im Dorf gemacht bis eine dunkle Stimme schrie: “No photos!” OK! Das ist wirklich alles echt hier. Dealer auf den Straßen, die sich keine Mühe geben müssen, um sich oder ihre Drogen zu verstecken. Eine nette Kundenberatung gibt es zu jeden Joint (und vielem mehr) dazu. Alles ist schmutzig und süffig, ein Teil der Menschen um mich herum sind völlig zugedröhnt und auffällig viele haben Wunden oder Narben im Gesicht. Spätestens ab diesem Moment habe ich mich immer unwohler gefühlt. Am Wegesrand liegen leere Plastiktütchen, torkelnder Weise betreten und verlassen manche das Gelände. Es ist Montagnachmittag, es ist 15 Uhr aber ich denke in Christiania ist jeder Tag wie der andere, da interessieren weder Uhrzeit, noch Wochentag. Das einzige was an Tourismus erinnert sind geschlossene Essensbuden und ein paar kleine Stände, dort werden Fanshirts mit der Aufschrift: “Christiania” verkauft. Mr. Z konnte gar nicht fassen, wie leichtgläubig ich an unseren Besuch heran gegangen bin ich habe diesen Ort einfach völlig falsch eingeschätzt. Für mich wurde aus Toristenbespaßung bittere Realität, wahrscheinlich bin ich deshalb so geschockt. Zitat des Tages: “Wie kannst du an einem Ort, an dem Drogen verkauft werden, Fotos machen wollen?” Recht hat er, im Nachhinein finde ich meine Naivität fast witzig. 🙂

Nachdem wir den “rechtsfreien Raum” wieder verlassen haben, bin ich einfach nur geschockt. Wie kann das sein, dass da so offensichtlich Drogen an Jedermann verkauft werden? Warum macht keiner etwas gegen die völlig zugedröhnten Junkies in diesem Viertel? Da kommt wirklich das Dorfkind in mir durch, ich kann mich auch Stunden danach nicht beruhigen, kann nicht verstehen, warum die Politik in Dänemark Christiania toleriert. Mittlerweile wehren sich auch ansässige Einwohner, weil es immer wieder zu Zwischenfällen mit Übergriffen und Waffen kommt.

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Für Touristen und Einwohner Dänemarks, die einfach an Drogen kommen möchten, ist dieser Ort ein Erlebnis und Schlaraffenland. Wahrscheinlich mutet das Viertel im Sommer auch etwas freundlicher an, wenn die Fressbuden geöffnet sind und deutlich mehr Touris durch die kleinen Wege drängen. Sicher ist es für alle etwas, die mal “etwas anderes sehen wollen” oder einfach Interesse an einem solchen Lebensstil haben. Ich habe mir alles etwas bunter, Flower-Power-mäßiger vorgestellt. Heute war alles grau, schmutzig, süffig, düster und an jeder Ecke standen Menschen, die den Kampf gegen Drogen verloren haben. Gruselig! Am Rande des Hauptplatzes gab es tatsächlich viel kleine bunte Häuser mit tollen Spielplätzen, der eigentliche Grundgedanke des Viertels. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass Christiania irgendwann im Laufe der Jahre eine falsche Richtung eingeschlagen hat, die sogar vielen der Bewohner Angst macht. Das erste Mal werde ich also einen neu entdeckten Ort NICHT in mein Gästeprogramm aufnehmen, wer da rein will, soll schön allein gehen. Vielleicht gebe ich Christiania im Sommer noch einmal eine Chance, dann weiß ich ja, worauf ich mich einlasse. 🙂

4 Gedanken zu „Drogen & Gewalt statt Sehenswürdigkeiten

  • Januar 16, 2017 um 8:14 pm
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    Puh mein erster Gedanke, als ich deinen Beitrag sah, war, wie bist du an Fotos gekommen?!?! Aber ich finde es schön, dass man dank deiner “Naivität” trotzdem ein paar Einblicke bekommen hat. Ja und schade, dass du sozusagen aus erster Hand bestätigen musst, dass Christiana wirklich zu einem Drogenumschlag- und Touristenverkaufsgedönsplatz verkommen ist, weil mit dem eigentlichen Entstehungsgedanken mit ein bisschen Anarchie und Andersein der Menschen, die dort leben, kann ich mich persönlich sehr gut anfreunden….

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    • Januar 16, 2017 um 8:19 pm
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      Genau darauf hatte ich mich auch eigentlich gefreut. Aber leider war es nur gespenstisch…

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  • Januar 28, 2017 um 9:06 pm
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    Hallo liebe Christina,

    ich bin 2014/15 als Austauschschülerin in Dänemark gewesen. Zusammen mit meiner Gastmutter habe ich eine Woche in Kopenhagen verbracht, wozu auch ein Besuch in Christiania gehörte. Und auch ich dachte das Ganze wäre etwas spannender, bunter und vielfältiger. Aber am Ende empfand ich es dort als traurige Drogenecke. Zwar war relativ viel los, aber alleine die öffentlichen Drogenstände und Leute die an den “Fressbuden” zugedröhnt mit Joint in der Hand hingesetzt hatten fand ich erschreckend. Ich kann nicht verstehen, wie einige Touristen es dort toll finden, alleine von dem Geruch dort wurde mir übel und es war dreckig und zerfallen.
    Dafür ist der Rest von Kopenhagen glücklicherweise umso toller!

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    • Januar 29, 2017 um 9:51 am
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      Liebe Patrizia, genau so sehe ich es auch. Ich glaube da ist die Wahrnehmung aber auch sehr verschieden. Du hattest sicher eine tolle Zeit in Dänemark und Kopenhagen ist unglaublich.

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