Mein Versuch Dänisch zu lernen. (4)

 

Wenn du wieder bei NULL anfängst!

Ich habe Euch ja schon davon berichtet, wir begeistert ich von meiner Sprachklasse bin. 10 Nationen in einem Klassenzimmer ist einfach etwas ganz besonderes. Spannend finde ich vor allem die Geschichten hinter jedem Einzelnen. Egal ob Syrer, Pole, Thai, Chinesin, Philippina oder ein türkischer Schüler, alle sind aus einen bestimmten und ganz individuellen Grund in Dänemark und mit mir zusammen in dieser Dänischklasse gelandet.

Ich habe vor ca. fünf Monaten damit angefangen Dänisch zu lernen, besuche einen kostenloser Sprachkurs über die Kommune. Aber nicht weil ich muss oder darauf angewiesen bin. Ich möchte die Sprache einfach für mich lernen, mit Einheimischen in der Landessprache kommunizieren und meiner neuen, tollen Heimat damit Respekt zollen. In Kopenhagen spricht fast jeder Englisch, teilweise sogar Deutsch, deshalb ist es eine freiwillige Entscheidung von mir den Kurs zu besuchen. Ich bin in Dänemark als selbstständige Journalistin und Bloggerin tätig, bin also auch nicht auf Jobsuche. Das ist einer der größten Unterschiede zwischen meinen Mitschülern und mir, denn viele von ihnen haben keinen größeren Wunsch, als in der Arbeitswelt Dänemarks Fuß zu fassen und deshalb besteht bei ihnen ein gewisser Druck, was das Sprechen und Verstehen der Sprache betrifft. Natürlich gibt es ein paar wenige Berufe, bei denen es auch ohne die Landessprache klappen könnte (evtl. Reinigungskraft, Crepes-Verkäufer o.ä.) aber auch im Alltag ist man immer wieder auf die Sprache angewiesen, vor allem wenn man kein Englisch spricht. Allein die Termine bei der Kommune oder die Anmeldung der Kinder in Schulen oder Kitas, ohne Sprachkenntnisse eine Mammutaufgabe.

Wenn wir zusammen im Unterricht sitzen sind wir alle gleich, zumindest wirkt es auf den ersten Blick so. In der Schule wird ausschließlich Dänisch gesprochen. Diese Sprache ist die einzige, die uns alle verbindet und die jeder, mehr oder weniger, sprechen kann. Die Lehrer sprechen ebenso nur Dänisch, erklären auch die Grammatik und Aufgabenstellungen in der Landessprache. Einen anderen Weg gibt es nicht, dafür sind die Klassen zu bunt gemischt. Für mich ist das auch der einzige sinnvolle Weg und es funktioniert. Mit jedem Monat erhöht sich die Kommunikation zwischen uns Schülern, auch in den Pausen. Schritt für Schritt erfahre ich immer mehr über meine Mitschüler und deren Zeit vor Dänemark. Die Altersspanne meiner Klassenkameraden reicht von 20 bis 50. Ich lerne mit und zwischen Flüchtlingen, Menschen die in ihrem Land weniger verdienen und angeheirateten Partnern, die allein wegen der Liebe ihre Heimat verlassen haben. Irgendwann muss ich Euch dringend noch erzählen wie viele Menschen sich tatsächlich über das Internet kennen und lieben lernen. Verrückte neue Welt 🙂 Meine Mitschüler waren in ihrer Heimat Sekretärin, Beamter, Kartograf, Landschaftsarchitektin, leitende Angestellte aber auch Fabrikarbeiter und Kellner. Jetzt sind sie alle arbeitslos, fangen bei NULL an, egal ob jung oder alt.

Wenn du in der Klasse sitzt, fühlst du dich immer wie ein Kind und irgendwie auch angreifbar. Ich habe nun wirklich kein Problem mit Menschen zu kommunizieren oder selbstbewusst auf meine Mitmenschen zuzugehen aber so bin ich wohl nur in meiner Muttersprache. Ein Moment der das sehr gut beschreibt ist der Beginn des Unterrichts. Nachdem eine halbe Stunde, jeder für sich, in seinem dänischen Roman liest, wird ausgelost, wer sein Buch vor der gesamten Klasse (natürlich auf dänisch) vorstellen muss. Da fühlst du dich wieder wie ein Kind in der Schule und beschwörst in Gedanken den Lostopf. Früher hatte ich diese Gefühl, wenn ein Schüler zur mündlichen Leistungskontrolle an die Tafel sollte. Ich habe in meiner Taschen gewühlt, mir die Nase geputzt oder ein Stoßgebet Richtung Himmel gesendet, nur um nicht meinen Namen zu hören. Da fällt mir auch gleich noch der schrecklichste Satz meiner Schulzeit ein, wenn es um mündliche Kontrollen ging: “Dann fangen wir doch mal oben an!” OBEN? Nein, ich heiße Ahnert, Ahnert mit A, schrecklich dieses alphabetisch geordnete Klassenbuch! Zurück zum Thema. 🙂 Mittlerweile bin ich deutlich besser vorbereitet und habe keine Angst mehr dran zu sein aber ich schlage mich auch nicht darum. Das ist aber nicht so, weil ich nicht Dänisch sprechen kann, sondern weil ich unsicher bin. Unsicher eine Sprache zu benutzen, die ich erst seit 5 Monaten kenne. Ich könnte so viel über dieses verdammte Buch erzählen aber eben in meiner Sprache. Den anderen Schülern geht es genauso. Ihr müsstet das Raunen hören, wenn es glücklicher Weise wieder einen Mitschüler getroffen hat. 🙂 Ich hoffe ihr habt jetzt keine Horrorvorstellung vom Dänischunterricht. Wir haben wirklich viel Spaß und die Gruppe wächst immer besser zusammen. Die Gesprächsthemen gehen bei so einer Multi-Kulti-Truppe natürlich nie aus, trotz oder gerade wegen all der Unterschiede.

Die Berufswünsche meiner Mitschüler sind nicht überzogen, viele machen zahlreiche Praktika. So lernen sie die Sprache noch schneller und sammeln Erfahrungen und Referenzen. Vielen ist aber auch klar, dass sie sich beruflich auf Neuland begeben müssen und eben nicht nahtlos an ihr altes Berufsleben anschließen können. Auch dann nicht, wenn sie diesen Dänischkurs erfolgreich abgeschlossen haben. Einige der syrischen Mädels wollen ihre Chance nutzen und zum ersten Mal überhaupt arbeiten gehen. Sie kommen aus Familien, in denen die Frau nur für die Kindererziehung und den Haushalt zuständig ist. In Dänemark können einige von ihnen freier leben und hoffen darauf, endlich ihr eigenes Geld verdienen zu können.

Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass ich weiter in meiner Muttersprache schreiben darf und nicht darauf angewiesen bin, einen anderen Job in Dänemark zu finden. In Deutschland war ich Moderatorin und Journalistin, ihr könnt Euch ja sicher denken wie viele dänische Fernsehsender oder Zeitungen mir hier einen Job anbieten würden, mit meinem dänischen Anfänger-Wortschatz. Auch ich müsste also von vorn beginnen.

Im 5. Teil möchte ich Euch dann erzählen, wann ich meine Abschlussprüfung habe und wie diese aussieht. Natürlich verrate ich Euch auch noch die Liebelein übers Internet, von denen ich im Text gesprochen habe. 🙂 Und ich bin mir sicher, dass es wieder viele neue Erkenntnisse über meine Multi-Kulti-Dänisch-Lerngruppe gibt.

 

Hier geht es zu den vorherigen Teilen:

Mein Versuch Dänisch zu lernen (3)

Mein Versuch Dänisch zu lernen (2)

Mein Versuch Dänisch zu lernen (1)

Dänisch lernen leicht gemacht. 

9 Gedanken zu „Mein Versuch Dänisch zu lernen. (4)

  • September 9, 2017 um 10:39 pm
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    Hej,

    schön zu lesen. Ich werde immer unsicher wenn ich was auf Dänisch zur Kommunikation beitrage und die Dänen mich dann anschauen wie Autos. Dann werde ich auch ziemlich schnell nervös und denke ich kann nichts. Obwohl ich keinen Kurs belegt habe und mir alles selber beigebracht habe, bekomme ich ab und zu ein Lob wie gut ich spreche. Aber mal ehrlich, nach 10 Jahren sollte das eigentlich selbstverständlich sein. Umso ärgerlicher finde ich manche meiner deutschen Arbeitskollegen, die sich glatt weigern dänisch zu sprechen oder zu lernen. Das finde ich Respektlos und einfach überheblich. Egal. Respekt vor Deiner Leistung. Sollte ich jemals einen Dänischkurs besuchen müssen, würde ich vermutlich sofort des Landes verwiesen werden.
    Apropos Internet-Liebe. Ich habe meine Frau vor 17 Jahren im SMS Chat von Sat 1 kennengelernt. Kein Witz.

    Viele Grüße Steffen

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    • September 9, 2017 um 11:20 pm
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      🙂 Sat 1 Chat ist auch richtig cool.
      DANKE für deine Nachricht. Für mich ist es auch eine Frage des Respekts, wenn man in diesem Land lebt und bleiben möchte, die Sprache zu sprechen.

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  • November 15, 2017 um 10:45 pm
    Permalink

    Huhu… Bin grade auf deinen Blog gestoßen und finde es toll und herrlich mit zu lesen und das ein oder andere mal hab ich das Gefühl versprüht das ich mich gesehen habe in der ein oder anderen Situation die du geschildert hast 😂 Ich werde im Dezember nach Dänemark auswander, der 17.12 ist Stichtag und mein Grund ist auch die Liebe… Vor nun etwas mehr als einem Jahr habe ich meinen Mister Z. durch Zufall hier in Deutschland (Hamburg) kennen gelernt und die Wege haben uns zusammen geführt. Da er Selbständig ist und Haus und Firma besitzt war schnell klar das wir uns entscheiden müssen es irgendwann zu wagen und nach knapp 3 Monaten stand fest das ich ende des Jahres zu ihm Auswandern werde. Ich war zwischenzeitlich auch in einer Privat Schule und habe angefangen zu lernen doch auch bei mir reicht es noch lange nicht für vernünftige Verständigung und da das Budget begrenzt ist und die Schule mit 45€ für 45 Minuten wirklich sehr teuer ist konnte ich natürlich auch nicht öfter als einmal die Woche zu einer Doppelstunde gehen.
    Nichts desto trotz freue ich mich sehr auf Dänemark und mein neues Leben.
    Ich werde dort auch wieder versuchen zur Schule zu gehen und hoffe mein Freund wird weiterhin fleißig mit mir lernen so wie er es bisher auch schon macht. (Jeg vil gerne laere Dansk) 👏🏻☝️
    Hilsen Scarlett

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    • November 16, 2017 um 8:49 am
      Permalink

      Wow, dann hast du ja eine spannende Zeit vor dir. Sobald du in Dänemark gemeldet bist kannst du einen kostenlosen Sprachkurs machen. Die sind hier sehr intensiv und richtig gut. Da wirst du schnell lernen! Super, wenn die Anfänge schon gemacht sind.
      PS: Die Mr.Z’s sind die BESTEN 🙂

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  • Dezember 21, 2017 um 7:41 pm
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    Ach wie herrlich! Hab eben Deinen blog entdeckt und ich habe 5 Jahre in Herning gelebt und auch Dänisch bei laerdansk gelernt. Ich hab genau das Gleiche erlebt wie Du in der Sprachschule. Tolle Menschen aus anderen Ländern. Frohe Weihnachten Dir und Deiner kleinen Familie

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    • Dezember 22, 2017 um 4:16 am
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      Vielen Dank, das wünsche ich dir auch. Diese Woche war meine Abschiedsveranstaltung in der Schule. Das wird mir sehr fehlen…

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  • Januar 31, 2018 um 12:13 pm
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    Herrlich Deine Beschreibungen! Ich habe mich gerade von meinem “PONS Power-Dänischkurs” anno 1998 upgegraded auf ein “Babbel”-Abo. Du siehst also, ich meine es ernst 😉
    Wenn ich dann jeweils hochmotiviert eine Unterhaltung mit meinem dänischen Freund starte, merke ich jeweils nach der ersten Antwort, dass ich noch garnichts kann.
    Du schreibst: “Nimm ein Wort, lass hinten und vorn etwas weg und betone den mittleren Teil völlig anders, als er geschrieben wird. “- genau so hört es sich für mich an.
    Die Auswanderung rückt näher und ich werde mich vorerst auf Jobs in eng/dt konzentrieren. Freue mich riiiiesig auf die Sprachschule vor Ort. Und die Dänen, die ich dann mit meinen falsch ausgesprochenen Floskeln beeindrucken kann 😉

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    • Januar 31, 2018 um 1:37 pm
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      So wie du da ran gehst wird es sicher was! Und du wirst richtig Spaß haben, in der Dänischschule. Perfekt ist natürlich, dass dir dein Mann helfen kann. Bin gespannt wie es bei dir weiter geht und wünsche dir viel Erfolg bei der Jobsuche.

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  • März 4, 2018 um 7:56 pm
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    So, bin nun beim 4. Teil deines Blocks angekommen, habe immer wieder zustimmend mit dem Kopf genickt und zeitweise herzhaft gelacht .. . Irgendwie habe ich (zum Glück) keine Scheu zu sprechen, allerdings werde ich verlegen, wenn mein Gegenüber zum wiederholten mal etwas erklärt und ich es immer noch nicht verstanden habe. Auch das Erlernen und Behalten von Vokabeln fiel mir schon immer schwer und das hat sich mit meinen 60´sten Lebensjahr auch nicht geändert. Hinzu kommt auch ein gewisser Druck. Mein finanzielles Polster ist begrenzt und ich muss auch hier noch ein paar Jahre arbeiten. Als Krankenschwester ist es zwar durchaus möglich einen Job zu finden, aber dänisch sprechen und verstehen muss schon auf Modul 3-4 erfolgen. Ich versuche im “Hier und Heute” zu bleiben und Schritt für Schritt weiter meinen Weg zu gehen. Schön und interessant finde ich ebenso wie du, die Erfahrungen mit den anderen Kursteilnehmern aus der Sprachschule. Auch habe ich in den drei Monaten hier schon (unabhängig von meinem Sohn) einige nette Kontakte knüpfen können. Das motiviert, ebenso wie dein Bock hier 🙂 . Vielen Dank dafür

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