Wenn du unsichtbar bist…
Als ich gestern Nacht im Bett lag und darauf gewartet haben, dass meine kleine Liva nach dem Stillen wieder in den Schlaf findet sind meine Gedanken wieder um so viele Dinge gekreist. Ich habe sie im halbdunklen in ihrem Bettchen angeschaut und mich gefreut, dass sie ein Mädchen ist. Das klingt sicher doof aber genau so ist es. Obwohl ich selbst nie das typische Mädchen war, kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als dieser kleinen Räuberprinzessin die Welt zu zeigen. Sie soll eine gesunde, glückliche, intelligente und starke Frau werden und sicher kein Püppchen. Aber etwas mehr Lady als ihre Mama darf sie dennoch gern verkörpern. Ich habe es euch ja schon einmal erzählt, meine Theaterpädagogin hatte das perfekte Wort um mich zu beschreiben: burschikos 🙂 Ein ausgesprochen bescheuertes Wort wie ich finde aber zu 100 Prozent ein Treffer. Ich war nie das zarte, schöne zurückhaltende Mädchen.
Ich war laut, etwas schräg, habe lieber mit Autos, Stöcken und im Schlamm gespielt als mit Puppen. Außerdem habe ich das Fußballspielen auf dem Dorfsportplatz geliebt, zusammen mit den Jungs. Nur meine beste Freundin Kässo war an meiner Seite. Genau dort, auf dem Sportplatz in Langenreinsdorf, habe ich es dann auch das erste Mal gespürt, das Verlangen als Mädchen wahrgenommen und gesehen zu werden denn da war er, ein viel zu alter, viel zu schöner Junge, der mich umhaute. Nie zuvor war es mir wichtig einem Jungen zu gefallen aber plötzlich wollte ich doch das Mädchen in mir wecken, damit er mich als solches wahrnimmt. Doch wie sieht ein cooler 18 Jähriger Kicker eine 12 Jährige burschikose, kickende Räubertochter vom Dorf im FC Bayern Trikot? RICHTIG, gar nicht und schon gar nicht als potentielle Freundin! Das erste Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl: Ich bin unsichtbar. Obwohl die Fußballjungs immer super nett zu uns waren und wir viel Spaß hatten, waren wir immer nur die kleinen (Halb)Mädels und ich schwer verschossen. Erstmals machte ich mir Gedanken über mein Aussehen und wollte einen besonders guten Eindruck hinterlassen. Bei jedem Gang auf den Sportplatz gab es nur eine Frage: “Ist Beckham da?” Den Namen hatte mein Schwarm schnell weg, weil er immer im David Beckham Trikot auftauchte und meiner Meinung nach mindestens genauso gut wie dieser kickte. Ich würde euch gern erzählen, dass aus dem eher hässlichen Entlein Kristina plötzlich ein Schwan wurde und Beckham mich eines Tages zwischen den Pfosten als Prinzessin wahr nahm aber so kam es natürlich nicht, zum Glück, sonst säße er schließlich heute noch im Gefängnis. Der Altersunterschied war dann doch zu groß aber das habe ich damals natürlich anders gesehen. Ich muss euch sicher nicht sagen, dass man das als 12 Jährige anders sieht und sich dennoch Hoffnung macht. Irgendwann hörten die gemeinsamen Treffen auf dem Bolzplatz auf und unsere Wege trennten sich. Mit dem ein oder anderen der Jungs haben wir zum Glück heute noch Kontakt, sie werden sich sicher sehr über den Text amüsieren. Mittlerweile ist der Altersunterschied auch deutlich entspannter zu sehen 🙂 Was ich aber aus dieser Zeit mitgenommen habe und nur noch ein weiteres Mal in meinem Leben gefühlt habe ist die Tatsache “unsichtbar zu sein”. Farin Urlaub hat darüber ein Lied geschrieben und wie so oft trifft er den Nagel auf den Kopf: “Du stehst grade mal sechs Meter oder so von mir entfernt und ich hab aus meinen Fehlern leider wieder nichts gelernt. Wenn ich in deine Richtung gucke, wird mir wieder klar: ich bin unsichtbar. Und ich kann es nicht begreifen, ich kann es nicht verstehen und ich sag mir immer wieder: So kann’s nicht weitergehen. Ich warte auf ein Wunder und solange bleib ich hier. Ich warte auf ein Lächeln, einen Blick von von dir …” Jeder der dieses Gefühl schon einmal hatte weiß, wovon ich spreche. Ich hatte es bisher nur zweimal in meinem Leben. Damals auf dem Sportplatz und bei einem meiner Ex-Freunde. Ich stand deutlich eher auf ihn als er auf mich und ich habe wirklich alles gegeben, um ihn von mir zu überzeugen. Das hat mich Monate, Nerven, viele Tränen und eine Menge Stolz gekostet. Als mittlerweile selbstbewusste Frau und über 10 Jahre nach der Beckham-Erfahrung war es damals schwer zu ertragen “unsichtbar” zu sein. Der Rest der Männerwelt sah mich mittlerweile deutlich hatte ich doch meine Weiblichkeit inzwischen entdeckt und kam dem Schwan langsam näher. Aber er schien gegen mich geimpft zu sein, durch mich hindurch zu schauen, jede andere Frau war für ihn interessanter als ich. In dieser Zeit lief Farins Lied bei mir rauf und runter und die Tränen vom Liebeskummer tanzten im Takt. Müsste ich Worte finden, die das “Unsichtbar sein” beschreiben, dann wären das wohl: Hilflosigkeit, Unverständnis, Einsamkeit und vor allem Ratlosigkeit! “Bin ich wirklich so daneben?” Ja, ja so ist sie, die Liebe. Am Ende hat die Hartnäckigkeit gesiegt und ich wurde auch für ihn sichtbar aber das Gefühl werde ich nie vergessen. Und ich glaube es geht vielen Menschen so. Ich hoffe, dass ich es nie wieder fühlen muss und bin sehr dankbar, dass mein Mr. Z von Anfang an die Hornbrille auf hatte und mich deutlich gesehen hat. 🙂 Egal ob in der Liebe oder allgemein, jeder möchte doch gesehen werden, vor allem von Menschen, die ihm etwas bedeuten.
Da könnt ihr mal sehen, was in der Nacht 2 Uhr so alles in meinem Kopf vor sich geht. Keine Ahnung wie ich von der wunderschönen, schlafenden Liva auf meine männliche Ader und Beckham gekommen bin aber ich wusste sofort, dass ich einen Blogbeitrag darüber schreiben möchte. Ich wollte darauf hin zumindest die Überschrift in mein Handy tippen, damit die Textidee nicht bis zum nächsten Morgen verschwindet, dass wäre nicht das erste Mal gewesen. Was soll ich euch sagen, es ist jetzt 2.30 Uhr und ich kann einfach nicht aufhören den Beitrag zu schreiben. Am Liebsten würde ich jetzt Farin hören, richtig laut aber meine 2 Lieblingsmenschen schlafen seelenruhig in ihren Betten. Für mich war es toll zurückzudenken. Es war eine großartige Zeit, danke Beckham, Rudi, Sascha, Bart und vor allem Kässo. Danke für solche tollen Erinnerungen und Gedanken.
Ihr wisst ja wie gespannt ich immer auf Eure Geschichten bin. Auch wenn es vielleicht sehr persönlich ist, ich hoffe ihr erzählt mir die ein oder andere Story in der ihr euch unsichtbar gefühlt habt. Hier nun das Lied, man beachte den Text:
Hier geht es zu:
Meine unendliche Fanliebe für “Die Ärzte”
Mein Versuch dänisch zu lernen.
Ja, dieses Gefühl kenne ich: Ich 12, er 14. Ebenso Fußballplatz. Ich spielte aber nur, weil er mitspielte und ich bin überaus unbegabt, d.h. Wenn ich sichtbar war, war ich das wohl eher aus lachhaften Grund 🤷🏽♀️🙈 Heute haben wir alle Kinder und sind glücklich 😀
Krasse Parallelen 🙂
Wahnsinn, wenn ich daran zurück denke. Und wenn ich deinen tollen Text lese und mich an „damals“ erinnere, werde ich etwas wehmütig… es war so eine tolle Zeit auf unserem Bolzplatz mit sooo vielen Erinnerungen! Und ich war genauso unsichtbar wie du 😅
Oh ja, dieses Gefühl kenne ich auch. Und ja, das erste Mal war wohl auch mit zwölf. Es gab zwar keinen Bolzplatz auf unserem Dorf, dennoch suchte auch ich Möglichkeiten für meinen Schwarm Andi sichtbar zu werden 🙂
Was ich mir jedoch bei deinem Text eben überlegt habe, ist: Wie oft haben wohl wir den anderen nicht gesehen? Wie viele männliche oder weibliche Wesen haben einen auf diese Weise wahrgenommen, wir aber haben es gar nicht bemerkt.
Von einem weiß ich es, weil er es mir, vor ein paar Jahren beim ersten Klassentreffen erzählte: “Was glaubst du denn, warum ich damals in jeder Pause zu euch in die Klasse kam?” Er gehörte zur Parallel-Klasse und er war toll und so, aber ich bin nie davon ausgegangen, dass er mich meinen könnte. Er sprach mich ja auch nie an. Alle anderen, möglichen Signale habe ich geflissentlich übersehen. Ich glaubte tatsächlich, er kommt, um mit den Jungs unserer Klasse … nun ja, nennen wir es quatschen und nicht, den macker markieren 😉
Keine Ahnung, wie vielen Menschen es wohl ähnlich mit mir ging.
Aber prinzipiell ist dein Text ein schöner Grund, mal wieder in den eigenen Erinnerungen zu kramen. Danke dafür! Lass es dir gut gehen!
Stimmt!! Ich habe beim Schreiben gar nicht an die andere Seite gedacht. Durch wie viele Menschen habe ich wohl schon hindurch geschaut?! Ein Grund mehr deutlich zu sagen, wenn man jemand richtig gut findet oder für jemand sichtbar sein will.
Meine Hochachtung,sehr schön geschrieben.
Vielen Dank Helmut!
Oh weh… wie bekannt mir das vor kommt. Ich bin auch immer eher ein Junge gewesen und auch lange von den Jungs wohl als einer wahrgenommen worden?
Ich war schon 14 oder 15 als es endlich einen Jungen gab der mich nicht als Kumpel gesehen hat. 😂
Schön das man doch mal wieder daran denkt dank deiner Erinnerung an diesen Lebensabschnitt. 👍🏽😬
Oh weh, ich kenne sie ;-), komischerweise saß ich immer mal sonntags auf der Bank neben dem Sportplatz (den Wunsch jede freie Minute mit seinem Freund verbringen zu wollen, hat man glaube auch nur mit 18)……………..Alles hat seine Gründe im Leben und das ist gut so………liebste Grüße nach Dänemark aus dem Unterdorf 😉
🙂 Also ich verbringe auch jetzt noch gern jede freie Minute mit meinem Freund 😀 Geiler Kommentar 🙂 Grüße ins Unterdorf, ich komme heute nach Hause!!!
Liebste Kristina, habe bei einem Gläschen Wein heute vernommen, dass Du heute im Ort bist! Wunderbar! Viel Spaß im Dorf!
Was einem des Nachts doch so durch den Kopf geistert… Vielen Dank für den Einblick und die Anregung, an die eigenen ersten Gefühle zu denken!
Danke dafür dass Du/Sie (weiss nicht wie ich anreden soll) diese Gedanken mit uns teilst/teilen.
Eine Überraschung das solche Gedanken damals im Kopf schwirrten 🙂
Und heute – eine hübsche, glückliche Frau von Mr. X und Mutter von Liva.
Da ich jetzt in Dänemark lebe, möchte ich es auch wie die Dänen machen: Du kannst also gern DU sagen. 🙂