Vom-Dorr_titel_KristinavomDorf

Der Fluch der Freiheit

 

 

…der eben auch ein Segen ist.

Meine Familie wohnt derzeit in einem 4- Generationen-Haus. Das ist mittlerweile sicher total selten. Meine Schwester ist mit ihrem Freund und ihren 2 Kindern zurück aufs Dorf gezogen, zurück nach Langenreinsdorf. Solang das eigene Häuschen am Rande unseres 4 Seitenhofes im Bau ist, wohnen alle zusammen in einem Haus. Alle heißt: Mein Opa, meine Eltern, meine Schwester und deren Kinder. Wo gibt es sowas noch? Was vor ein paar Jahren noch Gang und Gebe war, ist plötzlich Luxus. Spätestens zum Studium verlassen die meisten vom Dorf oder aus kleineren Städten ihre Heimat. Um tolle Jobs zu finden wird dem Elternhaus der Rücken gekehrt. So haben ich es auch gemacht. Vom geliebten Kuhkaff Langenreinsdorf ging es ins geliebte Studentenkaff Mittweida. Und dennoch hat es sich schon damals wie die große Freiheit angefühlt.

In meiner Studienzeit war ich fast jedes  Wochenende Zuhause, um in unserer Gaststätte zu kellnern. Wirklich vermissen musste ich meine Heimat und meine Familie also nicht. Während des Studiums war ich auch in Dresden und Leipzig Zuhause, Langenreinsdorf habe ich dann im Laufe der Jahre immer mehr den Rücken gekehrt. Du lebst dein Leben wo anders und deine Familie lebt ihr eigenes. Natürlich gibt es Telefon, Skype und ab und an Besuche aber es ist nicht mehr wie früher. Meine Schwester hat sich jetzt “ihr früher” zurückgeholt. Was gibt es schöneres für meinen Prinzen (mein Neffe) und seine kleine Schwester als mit den Großeltern und sogar Urgroßeltern aufzuwachsen. Langenreinsdorf ist klein aber voller Leben. Angrenzend an unserem Grundstück kann man auf den Feldern schwarz Mopet fahren (was ich natürlich nie gemacht habe), man kann zum Pilze suchen in die Wälder, mit den Nachbarskindern in Abwasserrohre kriechen und die Tiere auf dem eigenen Bauernhof knuddeln. Mir ist erst seit meinem ersten Besuch mit meiner kleinen Liva bewusst, was sie nicht erleben wird, weil ich weggegangen bin. Wer erklärt ihr denn welche Pilze man essen kann und wie man Hühner ruft, wenn nicht Uropa Kurt? Wer lernt ihr das Mopetfahren, Quatsch machen und Sachen reparieren, wenn nicht Opa Ahni? Das Kochen von Oma Elke und Erna, das Basteln von Tante Mady… All diese Sachen, die so wichtig sind. Liva wird nicht meine Kindheit haben können, zwischen Bauernhof, Rumräubern, Dorfgasthof und Dorffesten auf denen man jeden kennt. Auch ich bin in einem 3- Generationen-Haus aufgewachsen und weiß wie schön es ist, dass immer jemand da ist und wie viel man voneinander lernen kann. Auch in der Nachbarschaft zieht es immer mehr ehemalige Spielkameraden zurück nach Langenreinsdorf. Sobald man eine Familie gründet und so eine erfüllte Kindheit wie wir “Langenreinsdorfkids” hatten, möchte man, dass die eigenen Kinder ähnlich aufwachsen. Grund genug zurück aufs Land zu ziehen. Liva erlebt ihre ersten Jahre (oder Monate 🙂 ) in Dänemark. Sie wird von Dänisch und Deutsch umgeben sein, kann jeden Tag den Strand und das Meer sehen und erlebt tiefenentspannte Dänen. Ich werde mein bestes geben, dass sie all diese Sachen von uns lernt. So hat alles seine Vor- und Nachteile. Ihr seht es auf den Bildern, sehr viel schöner als in Dänemark kann man nicht groß werden aber kein Strand dieser Welt, kein noch so kinderfreundliches und sozial starkes Land ersetzt die Familie. Genau deshalb fahre ich gern tausende Kilometer durch die Gegend. Liva soll sie alle kennenlernen und sich ihr ganz eigenes Bild machen, von der buckligen Verwandtschaft aus dem Osten und dem Westen.

Ich habe nie verstanden warum bei mir kein Heimweh einsetzt, warum es mir gelingt mich überall wohlzufühlen. Ein großer Punkt ist dabei natürlich mein Mr.Z. Wenn er bei mir ist, kann ich mich überall heimisch fühlen. Ich sollte ihn mir also warm halten. 🙂

Wann ich zurück zu meinen Eltern ziehe, welche Kontakte Liva in ihrer Heimat knüpfen kann, warum sie auch in Dänemark nicht auf Omas und Opas verzichten muss, all das lest ihr im 2. Teil.

Wer von Euch ist zurück in die Heimat gegangen, bewusst da geblieben oder kämpft bis heute mit der ewigen Sehnsucht? Ich bin gespannt wer bei einem 4-Generationen-Haus mithalten kann. 🙂 Ihr wisst ja, ich bin scharf auf Eure Geschichten.

Hier geht es zu:

Die Geburt unserer Tochter.

Ossi liebt Wessi, unsere Liebesgeschichte.

Geld verdienen mit einem Blog.

7 Gedanken zu „Der Fluch der Freiheit

  • Januar 27, 2018 um 10:09 pm
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    Wieder sehr interessant! Wir haben zwei Jahre bei meinen Eltern gewohnt – zusammen mit ihrem Enkel. Und ich bin wirklich kein WG-Typ. Es war aber echt eine schöne, interessante Zeit!

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  • Januar 28, 2018 um 11:20 pm
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    Liebe Kristina,

    die letzten Tage habe ich deine Fotos bei Facebook und Instagram noch aufmerksamer verfolgt als sonst. Deine Bilder haben mich doch ein bisschen wehmütig gemacht.

    Genau wie du bin ich mit den Großeltern im Haus aufgewachsen. Das war im Dorf ja auch irgendwie bei vielen so, dass die Großeltern im selben Haus oder zumindest direkt nebenan gewohnt haben. Für meine Mutter war es der Horror mit der Schwiegermutter im Haus zu leben, weshalb sie dann auch leider irgendwann in die Stadt ist und mich mitnahm. Mit 14 ging es dann ab in den „Westen“. Ich glaube aus unserem Alter war ich fast die erste, die weg ist. Für mich war die „weite Welt“ auch irgendwie verlockend.

    Naja, die weite Welt war dann eine ländliche Gegend im Süden Hessens, doch das war rückblickend betrachtet wahrscheinlich für so ein Dorfkind wie mich leichter zu verkraften, als das Großstadtleben. Dadurch, dass ich noch zur Schule ging, war es auch relativ einfach Anschluss zu finden, doch hat es trotzdem einige Zeit gedauert sich heimisch zu fühlen. Gerade als ich dachte ich sei angekommen, packte meine Mutter die Wanderlust und mich verschlug es mitten ins Herz des Rhein-Main-Gebiets. Hier fiel es mir richtig schwer mich einzuleben, vielleicht weil ich nicht hier hin gewollt habe, vielleicht weil es mir zu anonym war. Aber letzten Endes ist es jetzt zu meiner Heimat geworden, auch weil ich selbst in der Stadt ein bisschen Dorf entdeckt habe.

    Seit meine Tochter auf der Welt ist denke ich oft an meine Kindheit zurück. Wahrscheinlich geht das vielen Müttern so. Man überlegt sich was man sich für sein Kind wünscht und dabei greift man auf eigene Erfahrungen zurück. Für mich war es eine wundervolle Kindheit auf dem Dorf: In einem Haus mit einem großen Garten, mit Opa und Oma, die immer da waren, und mit allen Freunden im Dorf, die man seit dem Kindergarten oder sogar der Kindergrippe kennt und mit denen man zusammen im Bus in die Schule fährt, danach im Hort ist und sich nachmittags aufm Sportplatz trifft.

    Meiner Tochter würde ich natürlich auch gern so eine Kindheit wünschen, doch ein Zurück in die alte Heimat gibt’s nicht mehr. Meine Bande ins Dorf sind über die Jahre verloren gegangen. Aber auch, wenn ich meiner Tochter kein Haus mit großem Garten und keine Großeltern bieten kann, bin ich zuversichtlich, dass sie genau so tolle Freundschaften schließen kann, wie ich sie in meinem Dorf hatte.

    Auch wenn ich kein Teil des Dorfes mehr bin, wird das Dorf ein Teil von mir bleiben. Sobald meine Kleine alt genug ist es zu verstehen, werde ich ihr mein Dorf, wo ihre Wurzeln liegen, zeigen und ihr von den besten Kindheitsfreunden erzählen, die man habe konnte:
    Zum Beispiel von Normi, der im Kindergarten vor mir weggerannt ist, wenn ich ihm ein Küsschen geben wollte,
    von Katrin, mit der ich im Hort Sailor Moon gespielt habe
    und von Tini, zu der ich nicht durfte, weil meine Mutter meinte, dass sie einen schlechten Einfluss auf mich habe, die ich aber immer für ihren Mut und ihre furchtlose Art bewundert habe und auf die ich mich am meisten gefreut habe, wenn ich auf den Sportplatz durfte und mit der zusammen ich meinen ersten Telefonscherz gemacht habe (danke, dass ich durch deinen „schlechten Einfluss“ mir Kinderstreiche zugetraut habe 😉 )

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    • Januar 29, 2018 um 3:10 am
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      😉 Danke für deinen schönen Kommentar und die Erinnerungen. Schön, dass du noch so oft an Langenreinsdorf und uns denkst. ❤

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  • Januar 30, 2018 um 6:58 pm
    Permalink

    Du hast euer Mehrgenerationenhaus wunderbar beschrieben . Wer die Möglichkeit hat wird sicher begeistert sein vom spielerischen .. Leben und Leben lassen… Dazu gehört natürlich eine große Portion Toleranz. Das Miteinander kommt in unserer ach so mobilen Welt oft zu kurz.Ich halte es aber für sehr wichtig, man kann immer vom Anderen lernen. Für Kinder ist es auf jeden Fall ein großer Gewinn. Ich hatte leider keine GroßEltern und habe dies immer vermisst. Wir sind auf die Fortsetzung gespannt.

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  • Februar 1, 2018 um 1:05 pm
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    Genau so wie du es s beschreibst , lebe ich mit meinem Mann , meiner Schwester mit Mann und Sohn(9 Jahre) und meinen Eltern ( 84und 87 Jahre), in einem Haus auf dem Land . Unsere Kinder sind schon groß und leben im Moment alleine. Aber alle drei würden irgendwann einmal gerne zurückkehren, abwarten. Aber zu allen Dorffesten kehren sie mit schöner Regelmäßigkeit, für ein paar Tage zurück. Für uns alle gibt es nichts Schöneres. Unsere Eltern genießen so ein tolles Rentnerleben. Ansonsten müssten sie sicherlich anderweitig Hilfe haben. Wir sind fast jedes Jahr in Dänemark, auch wenn es nicht dein Dorf ist , für Liva wird es dort auch eine schöne Kindheit.

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  • Februar 27, 2018 um 4:29 pm
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    Mein Prinz…das habe ich auch immer zu meinem Neffen gesagt. (Ich komme aus Sachsen-Anhalt und mein Mann aus der Nähe von Freiburg. Wohnen tun wir auch im Badenerland) mittlerweile ist mein Prinz schon 11 und von Leipzig mit seinen Eltern auch im Badnerland angekommen. Und eins kann ich dir sagen Prinz will er schon lange nicht mehr hören. 😂 viele Grüße Jeannette

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    • Februar 27, 2018 um 5:12 pm
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      Beim letzten Besuch hat mir mein 4-Jähriger Prinz versprochen, dass ich ihn bis er 30 ist in den Nacken küssen darf!! 😀 Mit Handschlag, zerstör also nicht meine Träume 🙂

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